„Wartezone Spielfeld“ – Update Do 17.11. – Hunger in Spielfeld – Mehr als 400 Fluchtüberlebende leiden mehr als eine Woche bei nasser Kälte in Zelten
Es braucht Zimmer statt Zelte von Innenministerium und Landesregierungen & Menschlichkeit jetzt sofort. (Liste für ad-hoc Unterstützung und Sammelstellen unten)
Mehr als 70 Personen wurden gestern aus den Spielfelder Polizeizelten in BBU-Lager wie Salzburg und Schwechat überstellt. Darunter besonders viele Kranke und Schmerzpatienten. Wir hoffen, dass sie nun schnell medizinische Behandlung bekommen.

Für heute ist in Spielfeld ein Besuch von LH Drexler (ÖVP) und Soziallandesrätin Kampus (SPÖ) und Medien angekündigt.
Die asylkoordination österreich hat errechnet, dass die Steiermark mit 3589 Grundversorgungsplätzen säumig ist.

Stimmen aus den Zelten: „Ich habe eine Verletzung aus dem Krieg in Syrien. Ich wurde in der Türkei operiert. Wenn ich im Kalten schlafen muss bekomme ich wieder Schmerzen. Im Zelt ist mir in der Nacht kalt und ich kann nicht schlafen. Die Decken reichen nicht aus.“
„Wer in Spielfeld kein Geld hat, um sich Essen zu kaufen, der bleibt hungrig. Meine Verwandten können mir nichts schicken,…“
„Wir sind vor 7 Jahren aus Syrien in die Türkei geflohen. Jetzt sind wir dort nicht mehr sicher.“
„Wir danken den Menschen, die uns hier besuchen und Essen und Kleidung bringen. Sie sind großartige Menschen“.

Mehr als 400 Menschen, die gerade die Flucht über die Balkanroute überlebt haben, werden in drei Großzelten der Landespolizeidirektion am Bundesstraßengrenzübergang zu Slowenien ohne ausreichende Versorgung und medizinische Unterstützung wochenlang ‚zwischen’gelagert.
Sie kommen aus Raqqa, Hama und Idlib in Syrien, sind Anfang 20 und haben den Kriegsdienst verweigert, sie kommen nach jahrelangem Exil in der Türkei, weil sie ihre Kinder nicht mehr ernähren können, sie kommen aus Marokko, weil das Arbeitseinkommen dort nicht mehr zum Überleben reicht…
Mehr als drei Monate haben sie sich trotz andauernder Pushbacks der folternden griechischen Grenzpolizei am Evros-Fluss bis nach Österreich durchgeschlagen. Tagelange Fußmärsche, Hundebisse der bulgarischen Grenzpolizei und der meterhohe Stacheldrahtzäune in Ungarn haben sie tief in ihrer Seele und an ihren Körpern verletzt.
Und jetzt sind sie da: in einem mäßig warmen Großzelt am Grenzübergang Spielfeld, wo sich eine Campingliege an die andere reiht. 4 Scheiben Toastbrot und eine Flasche Wasser zum Frühstück, ebenso unzureichend das Abendessen um ihren ausgemergelten Körpern Kraft zu geben, kein Tee, um sich bei frostigen Temperaturen innerlich aufzuwärmen, keine Kleiderausgabe, um die stinkenden Lappen, die von der Flucht geblieben sind, auszutauschen. Kein Rotes Kreuz, das für die Versorgung der vielen Verwundeten und Kranken da wäre.
Ein Lager, in dem jeder eine Nummer am Arm trägt. Schon zwei Wochen warten viele auf einen Transfer in ein festes Quartier, obwohl ihr Asylantrag längst protokolliert ist.
Spielfeld wird wieder zum Lagerplatz. Nicht nur von der ungarischen Grenze werden sie hierhergebracht mit Bussen oder weil sie sich mit einem Zugticket, das sie von der Behörde bekommen haben, selbst bis zum entlegensten Lager Österreichs durchgeschlagen haben. Auch wenn die BBU-Einrichtung in Graz oder Schwechat, der sie zugewiesen sind, überfüllt ist, oder sie nach einem Krankenhausaufenthalt in Wien obdachlos auf die Straße gestellt werden, heißt es nun : Ab nach Spielfeld ins Zelt.
Keine Menschen, sondern Nummern werden von Spielfeld nach langen Tagen der Ungewissheit, des Hungers und der Kälte ins nächste Zwischenlager, in die nächste Halle transferiert. Destination ungewiss, sagen auch die Beamten, die vor den Zelten Wache halten. „Sie sind freie Menschen“, sie können ja auch gehen.
Wer nicht gehen kann, wer sich auf Krücken bewegt und fiebert, weil ihm der ungarische Grenzzaun tief im Fleisch steckt, muss selbst sehen, wie er überleben kann. Kein Arzt vor Ort ist für seine Wunde zuständig, kein hygienischeres Umfeld als das stinkende Zelt geben die Beamten frei, kein Platz in der Landes-Grundversorgung der Steiermark wird gesucht, obwohl die Aufnahmequote nicht erfüllt ist. Taube Ohren auf Seiten der Landesregierungen. Totalversagen im Innenministerium.
So heißt das reiche Österreich 2022 Kriegs- und Fluchtüberlebende willkommen. Die Schande könnte kaum größer sein.
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Der reguläre Unterbringungsprozess für Asylsuchende ist deswegen am Kippen, weil Bundesländer, wie auch die Steiermark, ihren Verpflichtungen, feste Quartiere zur Verfügung zu stellen, nicht nachkommen und 17.000 Quartierplätze weniger anbieten, als in den letzten Jahren. Die Steiermark allein ist derzeit mit 3589 Plätzen im Rückstand, wie die asylkoordination österreich errechnet hat.
In den Polizeizelten von Spielfeld sind i.m.m.e.r. n.o.c.h. weder das Rote Kreuz noch die Caritas präsent. Die humanitäre Notlage, in der sich die Menschen befindet verschärft sich täglich mit den stetig fallenden Temperaturen und der immer längeren Verweildauer. Einzelne medizinische Notfälle werden von der Rettung ins Krankenhaus gebracht, Schmerz- und Scabiespatienten bleiben aber über Tage unbehandelt.
Danke an die Kleine Zeitung fürs Hinschauen.
Danke den Beamt:innen in Spielfeld die trotz der auch für sie unmöglichen Bedingungen die Menschlichkeit an erste Stelle setzen.
#menschbleiben#zimmerstattzelte
Für alle, die ad-hoc helfen können: Es braucht
Winterfeste Männerschuhe Gr 39 – 44
Rucksäcke
Schlafsäcke
Handliche Thermosflaschen mit Trinkgefäß (bei Direktübergabe gefüllt mit gezuckertem Tee)
Kleidung (Hosen, Unterzieher, Pullover, Jacken, Hauben, Schals, Handschuhe Schuhe, Unterwäsche, Socken. Männergrößen S, M, L)
Warme Getränke, besonders morgens und abends
Warmes gehaltvolles Essen zum Aufwärmen
Hungerstiller wie Trockenfrüchten (Datteln, Rosinen etc.), Nüsse, Kekse, Fruchtsaft, Müsliriegel
frisches Obst
Zahnbürsten, Zahnpasta, Schampoo
Schnelltrocknende Handtücher
Vitamin C – Brausetabletten
Abklärung der individuellen Bedürfnisse einzelner sehr vulnerabler Personen
Medizinische Abklärung von Fluchtverletzungen, Wundversorgung
Internetzugang für die Kommunikation mit den Familien
Die Menschen, die in den Zelten ausharren müssen, sind tagsüber an der Bundesstraße zwischen Bahnhof und Grenzübergang unterwegs. Sie freuen sich, wenn ihr sie ansprecht.
Sammelaktionen:
Mureck: Sammelstelle der Plattform Willkommenskultur, Bitte um PN
Leibnitz: bitte um PN
Spielfeld: Wir haben in Spielfeld (noch) kein zentrales Sammellager. Wir sammeln und verteilen dezentral. Bitte schickt uns eine PN, wenn Ihr etwas abgeben möchtet oder einen Sammelpunkt einrichten könnt.
Graz: Abgabe beim wunderbaren Graz:Spendenkonvoi
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